Mit zweiter Sitzreihe und größerem Kofferraum soll der neue AMG GT Komfort und Sport vereinen. Für die Rennstrecke gibt's jetzt den AMG GT 63 Pro!
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Mercedes-AMG GT: Prototyp
Der Mercedes-AMG GT ist mehr als ein SL Coupé
19.07.2023—
Anderthalb Jahre nach dem SL reicht Mercedes-AMG den geschlossenen GT nach. Erste Mitfahrt, zusammen mit dem neuen AMG-Boss Michael Schiebe!
Bild: Mercedes
"Sie haben da einen Satz geschrieben, der uns im Herzen schon ein bisschen wehgetan hat", sagt Michael Schiebe, als wir uns in der Affalterbacher AMG-Zentrale treffen. Schiebe ist seit Kurzem Chef der Sportwagenschmiede – und wehgetan hat ihm meine kürzlich getätigte Äußerung, der S 63 E Performance ginge auch als Mercedes S 680 durch.
Die 802 PS starke Luxuslimousine kommt schließlich deutlich weniger prollig daher, als man das von einem AMG-Flaggschiff vermuten möchte. Das wiederum aber ist auch so gewollt: "Uns geht's nicht um Prolligkeit, wir wollen seriöse Performance.
Und es muss auch glaubwürdig sein. Sie können jedes kleine Kompaktauto möglichst laut machen, aber darum geht's ja nicht", erklärt Schiebe. "Wir machen uns für jedes Auto Gedanken, fragen uns: Was ist die Vision, was wollen wir haben?"
"Wir sind stolz!", sagt Michael Schiebe. Das Grinsen nach unserer Tour spricht Bände.
Bild: Mercedes
Der AMG GT ist ein Auto aus dem Sportwagenlehrbuch
In den letzten Tagen und Wochen machen sich Schiebe und sein Team vor allem um ein Auto Gedanken: den neuen AMG GT, der jetzt nur noch leicht getarnt vor uns steht. Das bisschen Camouflage-Folie an Front und Heck verrät mehr, als es verhüllt, und macht Lust auf mehr. Knackiges Heck, lange Haube (die in Anbetracht scharfer Fußgängerschutzrichtlinien richtig tief ist), große Räder. Kurzum: ein Auto aus dem Sportwagenlehrbuch, das schon auf den ersten Blick mehr hermacht als der Vorgänger-GT, der immer ein bisschen – einmal müssen wir's noch sagen – prollig und irgendwie nie so richtig souverän wirkte.
Noch handelt es sich um einen Prototyp, noch dürfen wir nur auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Doch schon das bringt die ein oder andere Erkenntnis ans Tageslicht. Zum Beispiel, dass ich selbst mit knapp zwei Metern entspannter sitze als jemals in einem GT. "Der Vorgänger war dem ein oder anderen Kunden zu sehr auf Sportlichkeit getrimmt", erklärt Schiebe, und zeigt auf die Rückbank – beziehungsweise dahin, wo die Rückbank sein soll; in unserem Versuchsfahrzeug fehlt sie noch.
Lange Front, kurzes Heck, große Klappe: Was in den Kofferraum reingeht, ist noch geheim – aber reichlich.
Bild: Mercedes
Auch wenn hier hinten nur selten jemand Platz nehmen wird, bringt die zweite Reihe Vorteile: Die Vordersitze können weiter nach hinten gelehnt werden, im Vorgänger stießen sie schnell an der Rückwand an. Und außerdem können hier der Hund oder zwei Reisetaschen komfortabel mitfahren.
Aber auch ins Heck geht deutlich mehr als bisher: "Wenn wir von Kofferraumvolumen sprechen, dann muss da auch Volumen sein", sagt Schiebe. Über Liter spricht Mercedes noch nicht. Sicher aber ist: Gepäck für eine Woche Urlaub geht hier locker rein.
Die Plattform teilt sich der Mercedes-AMG GT mit dem SL
Wir rollen vom Hof, und ich lausche den Erzählungen des frischgebackenen CEOs am Steuer, der so souverän über den AMG GT spricht, als hätte er den Sportwagen von Anfang an begleitet. Dabei reichen die Anfänge ein gutes Stück zurück, schließlich ist der GT kein ganz neues Modell.
Die Plattform teilt er sich mit dem SL, der schon seit anderthalb Jahren auf dem Markt ist. Heißt: Das Layout ist identisch, Fans des alten GT müssen sich von der Transaxle-Bauweise verabschieden. Motor und Getriebe sitzen im Bug.
Auch innen tauchen wir in die vom SL bekannte Welt ein, das Cockpit ist nahezu identisch – inklusive des etwas fremdkörperartig wirkenden Hochkant-Displays in der Mittelkonsole. Vorteil: Die Fahrerfinger sind nah dran zum Touchen.
AMG-CEO Michael Schiebe erklärt AUTO BILD-Vize Micha Gebhardt den neuen GT.
Bild: Mercedes
Doch der GT will deutlich mehr sein als ein SL Coupé. "Das hätten wir noch mehr als Cruiser entwickelt. Der GT dagegen muss es schaffen, genau dieses Extra-Tüpfelchen an Sportlichkeit zu vermitteln. Der SL ist so, wie er sein soll. Wer an einen SL denkt, hat ein offenes Fahrzeug vor Augen, es geht natürlich auch um Dynamik, aber primär um das Cruisen, um das genussvolle Fahren. Beim GT sind Sie im Sportsegment unterwegs. Deswegen haben wir hier auch einige Veränderungen vorgenommen, die ich Ihnen heute aber noch nicht im Detail verraten möchte."
Der Sound des V8 wird synthetisch verstärkt
Dass der GT nicht nur locker cruisen kann, stellt Schiebe unter Beweis, als das Geläuf etwas kurviger wird. Ein kurzer Dreh am bekannten Lenkradschalter, schon brabbelt der V8 los, versteift sich das Fahrwerk und prescht der GT unter kernigem Gebrüll nach vorn. Der Sound, so Schiebe, ist echt, wird aber synthetisch verstärkt. Der Vorteil: Der AMG kann nach außen hin alle gesetzlichen Vorschriften einhalten und im Inneren seine Kraft hinausposaunen.
Breite Spreizung: Der GT beherrscht das Cruisen genauso gut wie die flotte Gangart.
Bild: Mercedes
Was Schiebe eingangs gesagt hat, stimmt: Der GT wirkt tatsächlich deutlich mehr wie ein AMG alter Schule als eben der S 63. Zumindest im Sportmodus: "Sie können hier leise, entspannt cruisen, ohne dass sich irgendjemand gestört fühlt, fahren Sie jetzt aber auf Passstraßen oder auf der Rennstrecke, dann haben Sie das Fahrerlebnis, wie wir es von einem GT gewohnt sind."
Möglich machen es zahlreiche technische Helfer, zum Beispiel die elektrische Wankstabilisierung. "Das Abtasten der Straße im Komfortmodus ist super, wir können aber gleichzeitig die Straffheit, die wir uns von einem sehr sportlichen Fahrzeug wünschen, abrufen", schwärmt Schiebe. Auch für den Sozius ist der Unterschied zwischen den einzelnen Modi deutlich spürbar.
Über die exakte Leistung schweigt sich Mercedes-AMG noch aus
Und wie viel Power steckt jetzt unter der Haube? Was für den Stauraum im Gepäckabteil gilt, gilt auch für Leistung, Beschleunigung oder Verbrauch: Noch hüllt man sich in Affalterbach in Schweigen. Gesetzt ist der Achtzylinder, mit dem wir unterwegs waren.
Power? "Über 500 PS", sagt Schiebe grinsend. PS? "Ja, lassen wir es zunächst mal bei PS." Der Blick ins Datenblatt des SL offenbart: Dort leistet der Vierliter-Biturbo im 63er 585 PS – weniger wird es im GT auf keinen Fall sein.
Unter der langen Haube steckt der bekannte Vierliter-V8. Im SL leistet er 585 PS, im GT sicher nicht weniger.
Bild: Mercedes
Und auch preislich wird die geschlossene Version den Roadster wohl nicht unterbieten. Heißt: 200.000 Euro werden wohl auf der Rechnung stehen. Günstiger könnte der GT werden, wenn AMG später auch den 381 PS starken Vierzylinder aus dem SL verbaut. Unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar.